Fournier-Gangrän unter Behandlung mit Tofacitinib

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2021

Autoren
  • Dr. med. Michael Zieschang, Darmstadt, mzieschang@me.com
  • Dr. med. Ulrich Rosien, Hamburg

Zusammenfassung

Fallbericht über eine Fournier-Gangrän unter der Behandlung mit Tofacitinib wegen einer Colitis ulcerosa (CU).

Tofacitinib (Xeljanz®) wurde 2017 zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen (1). 2018 erfolgte die Indikationserweiterung zur Behandlung von Psoriasis Arthritis und CU (2;3). Tofacitinib ist indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver CU, die auf eine konventionelle Therapie oder ein Biologikum unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder diese nicht vertragen haben.

Tofacitinib ist ein selektiver Inhibitor der Janus-Kinasen (JAK), der peroral appliziert wird. JAK sind zytoplasmatische Tyrosinkinasen, die mit Zytokinrezeptoren assoziiert sind. In menschlichen Zellen hemmt es bevorzugt die Signalübertragung von Interleukinen (IL-2, IL-4, IL-6, IL-7, IL-9, IL-15 und IL-21) und von Typ-I- und Typ-II-Interferonen und moduliert dadurch die immunologische und inflammatorische Antwort (4).

Der AkdÄ wurde der Fall eines 27-jährigen Patienten gemeldet, der seit elf Jahren unter einer Colitis ulcerosa leidet. Er nahm bei einem erneuten Schub seiner Erkrankung Tofacitinib 10 mg 2 x 1 Tbl. ohne ärztliche Rücksprache ein. Dieses Medikament hatte bei ihm schon einmal einen früheren Schub der Erkrankung zur Remission gebracht, war aber entgegen der Empfehlungen der Leitlinie nicht zur Remissionserhaltung fortgesetzt worden. Er begann die Medikation mit übrig gebliebenen Tabletten der vorherigen Behandlung. Als weitere Medikation lediglich Promethazin. Vier Wochen nach Beginn der Einnahme bemerkte er eine schmerzhafte Schwellung gluteal. Nach sechs Wochen Therapie wurde dann ein riesiger pararektaler Abszess links gluteal mit ausgedehnter Haut-/Subcutisnekrose und stuhliger Perforation festgestellt. In der Koloskopie ausgeprägte aktive Linksseiten-Colitis mit weitgehend ausgespartem Rektum. Dies führte zu der Diagnose einer Fournier-Gangrän und langstreckigen Colitis. Der Patient stellte sich erst sehr spät ärztlich vor, da er unter einer Depression mit Angststörung litt. Die Nekrosen mussten radikal exzidiert werden, schließlich wurde auch das linksseitige Colon entfernt und ein Anus praeter angelegt. Begleitend antibiotische Therapie und Absetzen des Tofacitinib.

Die Diagnose einer nekrotisiernden Fasziitis ist nach den vorliegenden Schilderungen unstrittig. Die nekrotisierende Fasziitis wird als Nebenwirkung des JAK-Inhibitors schon in der Fachinformation genannt (4). Der zeitliche Zusammenhang passt. Somit ist Tofacitinib als begünstigender Faktor der Fournier-Gangrän sehr wahrscheinlich.

Als Gegenanzeigen zur Verwendung von Tocafitinib werden eine aktive Tuberkulose und schwere Leberfunktionsstörungen genannt. Die Zahl der Lymphozyten sollte regelmäßig kontrolliert werden. Bekannte Nebenwirkungen umfassen außerdem schwerwiegende Infektionen, venöse Thromboembolien, Reaktivierung einer Tuberkulose, Zosterinfektionen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Nasopharyngitis, Übelkeit und Arthralgien (4).

In der europäischen Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen (EudraVigilance) sind von 24070 gemeldeten Fällen 7 Fälle von nekrotisierender Fasziitis registriert (5). Obwohl diese Nebenwirkung schon bekannt ist, möchten wir dennoch darauf noch einmal aufmerksam machen, insbesondere auch weil die Substanz jetzt neuerdings zur Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen (COVID-19) diskutiert wird.

Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sollten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet werden (https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/).

Fazit für die Praxis

Tofacitinib gilt aufgrund seines Nebenwirkungsspektrum inklusive der erhöhten Infektanfälligkeit als Reservetherapeutikum in der Behandlung der Colitis ulcerosa. Eine Begünstigung der Entwicklung einer Fournier-Gangrän ist in dem geschilderten Fall anzunehmen.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.

Literatur
  1. European Medicines Agency (EMA), Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP): Xeljanz® (Tofacitinib): Summary of opinion (initial authorisation): www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-xeljanz_en.pdf (letzter Zugriff: 6. Oktober 2021). EMA/CHMP/32752/2017; London, 26. Januar 2017.
  2. European Medicines Agency (EMA), Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP): Xeljanz® (Tofacitinib): Summary of opinion (post authorisation): www.ema.europa.eu/en/documents/smop/chmp-post-authorisation-summary-positive-opinion-xeljanz_en.pdf (letzter Zugriff: 6. Oktober 2021). EMA/CHMP/244920/2018; London, 26. April 2018.
  3. European Medicines Agency (EMA), Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP): Xeljanz® (Tofacitinib): Summary of opinion (post authorisation): www.ema.europa.eu/en/documents/smop/chmp-post-authorisation-summary-positive-opinion-xeljanz-x-05-g_en.pdf (letzter Zugriff: 6. Oktober 2021). EMA/CHMP/366645/2018; London, 31. Mai 2018.
  4. Pfizer Pharma GmbH: „Fachinformation Xeljanz® 5mg /10 mg Filmtabletten“. Stand Januar 2021.
  5. EudraVigilance: www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/research-development/pharmacovigilance/eudravigilance. Recherche vom 2. Oktober 2021.