Drug Safety Mail 2022-13

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 02.03.2022

Frühe Hypoglykämie nach Insulin glargin: Bitte um Fallmeldung

Der AkdÄ liegen Berichte von Hypoglykämien nach Anwendung von Insulin glargin vor, welche sehr früh nach Injektion aufgetreten sind. Die Wirkung von Insulin glargin soll im Mittel erst nach etwa 1,5 Stunden eintreten (1). Die gemeldeten Hypoglykämien traten aber bereits ab 15 Minuten nach der Injektion auf. Einige der Patienten waren auf Fremdhilfe angewiesen. Anhand der vorliegenden Fälle kann nicht abschließend geklärt werden, ob es sich hier um eine Nebenwirkung von Insulin glargin handelt oder ob (auch) alternative Ursachen verantwortlich sind.

Insulin glargin ist ein Humaninsulinanalogon mit lang anhaltender Wirkdauer und ist in Deutschland in einer Konzentration von 100 Einheiten pro Milliliter (U100) (2-4) und in einer Konzentration von 300 Einheiten pro Milliliter (U300) verfügbar (5). Ferner gibt es eine fixe Kombination mit Lixisenatid (6). Als Monopräparat wird Insulin glargin angewendet bei Patienten mit Diabetes mellitus ab zwei (2-4) bzw. sechs Jahren (5). Nach der subkutanen Applikation bilden sich im Unterhautfettgewebe Mikropräzipitate, aus denen kontinuierlich geringe Mengen von Insulin glargin freigesetzt werden. Dies hat gemäß Fachinformation eine lang anhaltende und gleichmäßige Wirkung ohne Spitzen zur Folge (2-4). Zwar wird Hypoglykämie als sehr häufige Nebenwirkung in den Fachinformationen aufgeführt (2-4). Da die Wirkung aber erst nach mehr als einer Stunde eintritt und erst nach acht bis zwölf Stunden (bei Insulin glargin U300 noch später) ihr Maximum erreicht (1;7), erscheinen Hypoglykämien bereits kurz nach der Injektion ungewöhnlich. Den Fachinformationen von Insulin glargin U100 ist jedoch zu entnehmen, dass der Zeit-Wirkungs-Verlauf „inter- und intraindividuell erheblich verschieden“ sein kann (2-4).

Um genauer analysieren zu können, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Applikation von Insulin glargin und frühen Hypoglykämien besteht, bitten wir um Meldung entsprechender Fälle. Dabei sollten neben dem verwendeten Insulin-Präparat, der Dosierung und dem zeitlichen Abstand zwischen Injektion und Hypoglykämie weitere Aspekte berücksichtigt werden, die Einfluss auf die Glukosekonzentration im Blut haben können, z. B.:

  • Injektion kurzwirksamer Insuline mit Zeitangabe der letzten Injektion vor der Hypoglykämie,
  • Einheiten der vorletzten Insulin-glargin-Dosis und zeitlicher Abstand zwischen den beiden letzten Insulin-glargin-Dosen,
  • kürzlicher Wechsel des Insulins (NPH auf Insulin glargin) bzw. der Insulinkonzentration (Wechsel von U100 auf U300 oder umgekehrt),
  • Komedikation, Begleiterkrankungen,
  • sportliche Aktivität,
  • Nahrungsaufnahme im zeitlichen Zusammenhang (einschließlich Alkohol),
  • Angaben zur Injektionsstelle / Wechsel der Injektionsstelle,
  • erhöhte Insulinresorption, z. B. durch Applikation von Wärme, Massage an der Injektionsstelle,
  • Möglichkeit eines technischen Fehlers bei Applikation (z. B. versehentliche intravasale Applikation),
  • mögliche Verwechslung mit kürzer wirksamem Insulin.

Literatur

  1. Lepore M, Pampanelli S, Fanelli C et al.: Pharmacokinetics and pharmacodynamics of subcutaneous injection of long-acting human insulin analog glargine, NPH insulin, and ultralente human insulin and continuous subcutaneous infusion of insulin lispro. Diabetes 2000; 49: 2142-2148.
  2. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: Fachinformation „Lantus® Injektionslösung in einer Durchstechflasche/Patrone, Lantus® SoloStar Injektionslösung in einem Fertigpen“. Stand: Juli 2020.
  3. Lilly Deutschland GmbH: Fachinformation „Abasaglar®“. Stand: Juli 2020.
  4. Mylan Healthcare GmbH: Fachinformation „Semglee 100 Einheiten/ml Injektionslösung in einem Fertigpen“. Stand: Oktober 2021.
  5. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: Fachinformation „Toujeo® 300 Einheiten/ml Injektionslösung in einem Fertigpen“. Stand: Juli 2020.
  6. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: Fachinformation „Suliqua® 100 Einheiten/ml + 50 Mikrogramm/ml Injektionslösung, Suliqua® 100 Einheiten/ml + 33 Mikrogramm/ml Injektionslösung“. Stand: Juli 2020.
  7. Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG): S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/057-013.html AWMF-Registernummer: 057-013; 2. Auflage, Stand: 28. März 2018.


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