Sprue-ähnliche Enteropathie unter Olmesartan (UAW-News International)

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 35-36, 02.09.2013

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 35-36, 02.09.2013

Risikoinformation der FDA

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA berichtete kürzlich über Fälle von Sprue-ähnlicher Enteropathie bei Patienten, die seit mehreren Monaten oder Jahren mit Olmesartan behandelt wurden (1). Die Symptome der Enteropathie umfassen schwere, chronische Durchfälle mit einem zum Teil erheblichen Gewichtsverlust, die Anlass zu stationären Behandlungen waren. In den Fällen, die auf die Gabe von Olmesartan zurückgeführt werden konnten, bildete sich die Symptomatik nach Absetzen zurück. In zehn Fällen wurde der kausale Zusammenhang durch eine Reexposition bestätigt. Die Sprue-ähnliche Enteropathie wird jetzt als Nebenwirkung in die amerikanischen Produktinformationen von Olmesartan-haltigen Arzneimitteln aufgenommen. Berichte über eine derartige Enteropathie im Zusammenhang mit anderen Sartanen liegen nicht vor.

Studien zur Sprue-ähnlichen Enteropathie unter Olmesartan

Die Mitteilung der FDA wurde unter anderem ausgelöst durch eine publizierte Fallserie aus der Mayo Clinic in Rochester (2). Im Verlauf von drei Jahren wurde dort bei 22 Patienten mit chronischen Diarrhöen und histologisch nachweisbarer Enteropathie (duodenale Zottenatrophie mit oder ohne Kollagenablagerung und intraepitheliale Lymphozytose) ein Zusammenhang mit der Einnahme von Olmesartan hergestellt. Die Patienten im Alter von 47 bis 81 Jahren (Median 69,5) hatten Olmesartan in gängiger Dosierung von 10 bis 40 mg pro Tag im Mittel etwa drei Jahre (Bereich 0,5 bis 7 Jahre) eingenommen, bis Durchfälle auftraten. Dabei kam es zu einem medianen Gewichtsverlust von 18 kg (Bereich 2,5 bis 57 kg). Einige Patienten klagten zudem über Übelkeit/Erbrechen, Bauchschmerzen, Blähungen und Abgeschlagenheit. Dünndarmbiopsien zeigten bei 15 Patienten eine komplette und bei 7 eine partielle Zottenatrophie. Die für eine Sprue charakteristische Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten ließ sich in 14 Fällen nachweisen. Bei einigen Patienten wurde neben den duodenalen Befunden eine kollagene oder lymphozytäre Gastritis (n = 7) oder eine mikroskopische Colitis (n = 5) dokumentiert. Die für die einheimische Sprue sehr spezifischen IgA-anti-Transglutaminase-Antikörper waren in keinem Fall nachweisbar, und eine glutenfreie Diät führte zu keiner Verbesserung der Symptomatik. Nach Absetzen von Olmesartan bildete sich bei allen Patienten die klinische Symptomatik zurück und es kam wieder zu einer Zunahme des Körpergewichts. Der histologische Befund des Duodenums verbesserte oder normalisierte sich in allen Fällen, in denen eine Verlaufskontrolle vorgenommen wurde (n = 18).

In einer anderen Studie wurden Patienten mit villöser Atrophie und negativer Serologie für eine einheimische Sprue untersucht, die in einem spezialisierten US-amerikanischen Zentrum über einen Zeitraum von zehn Jahren behandelt wurden (3). Bei 16 von 72 Patienten konnte ein Zusammenhang mit der Einnahme von Olmesartan hergestellt werden. In 15 dieser Fälle lagen Informationen zum Verlauf nach Absetzen von Olmesartan vor, die eine Besserung dokumentierten. Ein weiterer Einzelfallbericht wurde kürzlich veröffentlicht (4).

Indikation und Verordnungszahlen von Olmesartan in Deutschland

Der Angiotensinrezeptorantagonist Olmesartan wurde 2002 in Deutschland eingeführt und ist zugelassen zur Behandlung der essenziellen Hypertonie. Studien, mit denen die Vermeidung von Hochdruckfolgeerkrankungen durch Olmesartan belegt wurde, liegen bislang nicht vor. Olmesartan steht als Monopräprarat (Votum®, Olmetec®) sowie als Zwei- oder Dreifachkombination mit HCT und Amlodipin zur Verfügung. Die Verordnungen von Olmesartan-haltigen Präparaten innerhalb der GKV beliefen sich 2012 insgesamt auf etwa ca. 291 Mio. definierte Tagesdosen (DDD), d. h., bei durchgehender Verordnung von Standarddosen werden in Deutschland jährlich fast 800.000 Patienten mit Olmesartan behandelt (5). Der AkdÄ liegen bisher keine Fallberichte mit der oben geschilderten Symptomatik aus Deutschland vor.

Zusammenfassung und Empfehlung der AkdÄ

Die oben geschilderten Befunde weisen darauf hin, dass Olmesartan eine Sprue-ähnliche Enteropathie verursachen kann, die mit chronischen, teilweise schweren Durchfällen einhergeht. Im Zusammenhang mit anderen Sartanen wurden Fälle mit ähnlicher Symptomatik nicht beschrieben. Da sich die Symptomatik erst Monate bis Jahre nach Beginn der Einnahme manifestieren kann, wird ein Zusammenhang mit Olmesartan vermutlich meist nicht in Erwägung gezogen. Bei Patienten, die unter einer länger bestehenden Behandlung mit Olmesartan Diarrhöen mit oder ohne Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsverlust entwickeln, ist als Differenzialdiagnose diese unerwünschte Arzneimittelwirkung in Betracht zu ziehen. Neben einer entsprechenden Diagnostik sollte erwogen werden, die antihypertensive Therapie auf ein anderes Medikament umzustellen, selbst wenn nicht alle typischen Charakteristika der Sprue-ähnlichen Enteropathie nachgewiesen werden können. Verdachtsfälle unter Behandlung mit Olmesartan (oder auch anderen Sartanen) sollten der AkdÄ gemeldet werden, da Informationen über die Häufigkeit dieser UAW bisher fehlen (www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/index.html).


Literatur
  1. FDA: FDA approves label changes to include intestinal problems (sprue-like enteropathy) linked to blood pressure medicine olmesartan medoxomil: www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UCM359496.pdf. FDA Drug Safety Communication, 3. Juli 2013. Zuletzt geprüft: 8. August 2013.
  2. Rubio-Tapia A, Herman ML, Ludvigsson JF, et al.: Severe spruelike enteropathy associated with olmesartan. Mayo Clin Proc 2012; 87: 732–8
  3. DeGaetani M, Tennyson CA, Lebwohl B, et al.: Villous atrophy and negative celiac serology: a diagnostic and therapeutic dilemma. Am J Gastroenterol 2013; 108: 647–53
  4. Dreifuss SE, Tomizawa Y, Farber NJ et al.: Spruelike enteropathy associated with olmesartan: an unusual case of severe diarrhea. Case Rep Gastrointest Med 2013; 2013: 618071
  5. Anlauf M, Weber F: Hemmstoffe das Renin-Angiotensinsystems. In .Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2013. Berlin, Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2013 (im Druck).