Sicherheitsaspekte bei der Anwendung von Denosumab (Prolia®, Xgeva®): Fälle von Vaskulitis und Risiko für schwere Hypokalzämien (UAW-News International)
Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 11, 14.03.2014
Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 11, 14.03.2014
Denosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der durch Bindung von RANKL (Receptor Activator of Nuclear Factor-Kappa B Ligand) die Bildung, die Funktion und das Überleben von Osteoklasten hemmt und so die Knochenresorption im kortikalen und im trabekulären Knochen vermindert. Denosumab ist in einer niedrigeren Dosierung (Prolia®, 60 mg einmal alle sechs Monate subkutan) zugelassen zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko sowie zur Behandlung von Knochenschwund im Zusammenhang mit Hormonablation bei Männern mit Prostatakarzinom und erhöhtem Frakturrisiko. In einer höheren Dosierung (Xgeva®, 120 mg einmal alle vier Wochen subkutan) ist es indiziert zur Prävention von skelettbezogenen Komplikationen (wie zum Beispiel pathologischen Frakturen) bei Erwachsenen mit Knochenmetastasen aufgrund solider Tumoren (1, 2). Die Erweiterung der Zulassung zur Prävention oder Verzögerung von Skelettmetastasen bei Patienten mit hormonrefraktärem Prostatakarzinom wurde von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) aufgrund der Studienergebnisse kürzlich abgelehnt (3).
Die AkdÄ hat 2011 in der Indikation Osteoporose keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber Bisphosphonaten für das teurere, subkutan zu applizierende Denosumab gesehen und den Einsatz nur in Einzelfällen bei Unverträglichkeit von Bisphosphonaten empfohlen (4). Bei der Prävention von Komplikationen durch Knochenmetastasen (z. B. bei Mammakarzinom) gibt es Hinweise für eine Überlegenheit von Denosumab gegenüber Zoledronsäure (5). Jedoch muss beachtet werden, dass aufgrund seiner immunmodulierenden Eigenschaften das Infektionsrisiko möglicherweise erhöht wird, was vor allem bei schwerkranken, immunsupprimierten Patienten oder bei Zytostatikatherapie relevant sein kann.
Die Verordnungen von Denosumab im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen nehmen in beiden Indikationsgebieten deutlich zu und lagen im Jahr 2012 bei insgesamt 19,2 Mio. definierten Tagesdosen (DDD), was einer Verdopplung gegenüber dem Vorjahr entspricht (6). Denosumab sollte strikt nur in den zugelassenen Indikationen eingesetzt werden. Bei allen Autoimmunerkrankungen und bei immunkompromittierten Patienten (z. B. nach Organtransplantation oder unter Langzeitbehandlung mit Glukokortikosteroiden) kann die Anwendung nicht empfohlen werden, solange keine entsprechenden Studien vorliegen.
Der Ausschuss für Risikobewertung in der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der EMA berichtete kürzlich über ein Signal für Vaskulitiden im Zusammenhang mit Denosumab. Das Signal beruht auf 33 Fallberichten aus der europäischen Datenbank für Spontanmeldungen (EudraVigilance) (7). Zumeist wurden Hautmanifestationen beobachtet und in einigen Fällen wurde die Diagnose histologisch bestätigt. Vaskulitiden sind in den Produktinformationen von Denosumab bislang nicht als Nebenwirkung aufgeführt. Das Signal soll zunächst beobachtet und weiter untersucht werden. Ein Fallbericht aus Deutschland ist im grauen Kasten exemplarisch dargestellt.
Bei einer Patientin mit metastasiertem Brustkrebs wird eine Behandlung mit Doxorubicin in einer polyethylenglykolisierten, liposomalen Formulierung (Caelyx®) und Denosumab (Xgeva®) wegen Knochenmetastasen eingeleitet. Der erste Zyklus wird problemlos vertragen. Drei Tage nach dem zweiten Zyklus entwickelt die Patientin ein Ganzkörperexanthem, das zur stationären Aufnahme führt. Eine Hautbiopsie erbringt den Befund einer Vaskulitis. Es erfolgt eine Behandlung mit Glukokortikosteroiden, und Denosumab wird durch Zoledronsäure ersetzt.
Medikamenteninduzierte Vaskulitiden imponieren klinisch am häufigsten als eine auf die Haut beschränkte Vaskulitis der kleinen Gefäße, können jedoch von der Symptomatik auch klassischen systemischen Vaskulitiden ähneln, wie der Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Wegenersche Granulomatose), der Polyarteriitis nodosa oder der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Churg-Strauss-Syndrom) (8). Wirkstoffe aus zahlreichen pharmakologischen Klassen wurden mit der Auslösung einer Vaskulitis in Zusammenhang gebracht. Häufig genannt werden z. B. Penicillin, Cephalosporine, Sulfonamide, Diuretika, Phenytoin oder Allopurinol.
Hypokalzämien sind als mögliche Nebenwirkung einer Behandlung mit Denosumab in den Fach- und Gebrauchsinformationen aufgeführt. Diese Nebenwirkung ist biologisch plausibel, da die Bindung von RANKL die Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten entkoppelt, was zu einem Nettoeinstrom von Kalzium in den Knochen führt (9). Für die halbjährlich verabreichte, niedrigere Dosierung von Denosumab wird die Häufigkeit von Hypokalzämien als "selten" angegeben, was einem Fall bei 1000 bis 10.000 behandelten Patienten entspricht. Bei der monatlich verabreichten, höheren Dosierung in der Indikation Knochenmetastasen muss mit einem Fall bei 10 bis 100 Patienten gerechnet werden.
Nach Markteinführung wurden auch schwere symptomatische Hypokalzämien einschließlich Fällen mit tödlichem Ausgang berichtet. Ein Risikofaktor für das Auftreten einer Hypokalzämie unter Denosumab ist eine höhergradige Einschränkung der Nierenfunktion. Dies liegt vermutlich daran, dass bei Patienten mit Niereninsuffizienz der Knochenumsatz stärker von Parathormon abhängt und die Inhibition von Osteoklasten durch Denosumab zu einem "hungry bone-like syndrome" führen kann (9). Jedoch wurden auch Fälle von schweren Hypokalzämien bei Patienten mit normaler oder mittelschwerer Niereninsuffizienz beschrieben (10, 11). In einer retrospektiven Untersuchung von 53 Patienten, die wegen Knochenmetastasen mit Denosumab in der höheren Dosierung behandelt wurden, trat bei 11 Patienten (20,8 %) eine Hypokalzämie auf und somit bei mehr Patienten, als laut Fachinformation zu erwarten wäre (12). Als weiterer Risikofaktor neben einer Niereninsuffizienz wurde in dieser Studie eine zuvor nicht erfolgte Behandlung mit Zoledronsäure identifiziert. Die Autoren vermuten, dass dies auf eine Erhöhung der Parathormonsekretion durch Zoledronsäure zurückzuführen ist, die bei den vorbehandelten Patienten noch wirksam war und so einen relativen Schutz vor einer Hypokalzämie bewirkt hat.
Eine Hypokalzämie (Erniedrigung des Gesamtkalziums im Serum unter 8,8 mg/dl bzw. 2,2 mmol/l und des Ca2+ unter 4 mg/dl bzw. 1,0 mmol/l) kann zu Tetaniesymptomen (z. B. Krampfanfälle, Parästhesien, Pfötchenstellung, Stimmritzenkrampf) und durch eine QT-Verlängerung zu bedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen. Eine vorbestehende Hypokalzämie ist eine Kontraindikation für die Gabe von Denosumab. Das Kalzium im Serum sollte daher vor Beginn einer Behandlung kontrolliert und gegebenenfalls durch eine ausreichende Zufuhr an Kalzium und Vitamin D zunächst korrigiert werden. Bei Patienten mit einer Prädisposition für eine Hypokalzämie (wie z. B. eingeschränkte Nierenfunktion) wird die klinische Überwachung der Kalziumspiegel empfohlen. Während der Behandlung muss eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D sichergestellt sein. Zur Basistherapie einer Osteoporose gehört eine Gesamtzufuhr von 1000 mg Kalzium und 1000 IE Vitamin D3 täglich. Außer bei bestehender Hyperkalzämie lässt sich dies auch auf die Anwendung von Denosumab bei Knochenmetastasen übertragen. Die Fachinformation von Xgeva® empfiehlt dagegen die ergänzende tägliche Gabe von mindestens 500 mg Kalzium und 400 IE Vitamin D (2).
Aus Fallberichten gibt es Hinweise, dass Denosumab in seltenen Fällen zu einer Vaskulitis führen kann. Entsprechende Verdachtsfälle sollten der AkdÄ gemeldet werden.
Die Behandlung mit Denosumab geht mit einem Risiko für Hypokalzämien einher, die schwerwiegend sein können. Das Risiko ist erhöht bei eingeschränkter Nierenfunktion sowie möglicherweise auch bei einer zuvor nicht erfolgten Behandlung mit einem Bisphosphonat. Vor einer Behandlung mit Denosumab muss daher das Serumkalzium überprüft und gegebenenfalls zunächst korrigiert werden. Unter der Behandlung ist außer bei Hyperkalzämie auf eine ausreichende Gesamtzufuhr zu achten (1000 mg Kalzium und 1000 IE Vitamin D3 täglich). Patienten sollten über mögliche Symptome einer Hypokalzämie aufgeklärt werden, wie zum Beispiel periorales Taubheitsgefühl, Parästhesien an den Extremitäten, Muskelkrämpfe, Erschöpfung, Übererregbarkeit, Angstzustände oder Depression.