Die AkdÄ möchte Sie im Folgenden über Publikationen und
Meldungen aus dem internationalen Raum informieren und hofft, Ihnen damit
nützliche Hinweise auch für den Praxisalltag geben zu können.
1. Tödliches hämorrhagisches Lungenödem und Angioödem nach Rofecoxib
COX-2-Inhibitoren werden mit der Auslösung von anaphylaktoiden Reaktionen wie
Urtikaria, Blutdruckabfall, Bronchospasmus oder Angioödemen in Verbindung
gebracht (1).
Bei einem 60-jährigen Patienten mit rheumatoider und Osteoarthritis, Diabetes
mellitus und einer bestehenden Lungenfibrose traten nach zweimaliger Einnahme
von 12,5 mg Rofecoxib akut Lippenschwellung, Atemnot, Schweißausbrüche und
Brechreiz auf. Als Dauermedikation erhielt er seit längerem Prednisolon 10
mg/Tag, Methotrexat 12,5 mg/Woche i. m., Furosemid, Paroxetin und Humaninsulin.
Anamnestisch bestanden keine Hinweise auf Angioödeme und Allergien in der
eigenen Vorgeschichte bzw. eine familiäre Disposition. Bei der stationären
Aufnahme zeigten sich ein Lippen- und Zungenödem, eine beschleunigte Atmung und
Tachykardie. Auskultatorisch wurden beidseits basal inspiratorisch feinblasige
Rasselgeräusche festgestellt. Der Patient wurde auf die Intensivstation
verbracht und mit Hydrocortison und Chlorpheniramin intravenös sowie Adrenalin
s. c. behandelt. Trotzdem nahmen Gesichts- und Zungenödem weiter zu, und es
entwickelte sich ein Lungenödem. Trotz aller intensivmedizinischen Maßnahmen
verstarb der Patient einen Tag später. Bei der Obduktion fanden sich
Ulzerationen im Mundbereich, eine hämorrhagische Trachealschleimhaut,
epikardiale Petechien und Ekchymosen sowie ein hämorrhagisches Lungenödem (2).
Aufgrund des zeitlichen Verlaufs gehen die Autoren von einem möglichen
Kausalzusammenhang mit der Einnahme von Rofecoxib aus. Der britischen Behörde
für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Committee on Safety of Medicines; CSM)
lagen bis Dezember 2000 vier Meldungen über Angioödem, 23 über Gesichtsödem,
drei zu periorbitalem Ödem und sechs zu Zungenödem vor. Über ein hämorrhagisches
Lungenödem fand sich kein weiterer Fall.
Im deutschen Spontanerfassungssystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ;
Stand: 24.04.2003) finden sich für die COX-2-Inhibitoren Rofecoxib (Vioxx®) und
Celecoxib (Celebrex®) 1070 Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen
(UAW). In 55 Fällen (5,1 Prozent) wurde über ein angioneurotisches Ödem (Angioödem,
Gesichtsödem, Zungenödem, Larynx-, Pharynxödem) berichtet. In sechs Berichten
wurde ein Lungenödem als Nebenwirkung angegeben. Ein hämorrhagisches Lungenödem
wurde dabei explizit nicht beschrieben.
Die steigende Verordnungshäufigkeit der COX-2-Inhibitoren führt auch zu einer
zunehmenden Zahl an unerwünschten Wirkungen und damit auch einer höheren
Wahrscheinlichkeit, eine seltene und schwere Nebenwirkung zu erleiden. Im Jahr
2002 lag Rofecoxib auf Rang eins und Celecoxib auf Rang neun der im Rahmen des
Spontanerfassungssystems am häufigsten mit einer UAW in Zusammenhang gebrachten
Wirkstoffe (von Ärzten direkt an die AkdÄ gemeldete UAW).
2. Toxische epidermale Nekrolyse unter Celecoxib
Die toxische epidermale Nekrolyse (TEN; Lyell-Syndrom) gehört neben dem Erythema
exsudativum multiforme majus (EEMM) und dem Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) zu den
schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen an der Haut und wird - in
unterschiedlicher Häufigkeit - nach einer Vielzahl von Wirkstoffen beobachtet
(3).
Bei einer 81-jährigen Patientin entwickelte sich sieben Tage nach Beginn einer
Therapie mit Celecoxib ein sich von den Beinen her rasch ausbreitendes Exanthem.
In der Annahme, es handele sich um die entzündliche Exazerbation eines
vorbestehenden Ekzems, behandelte der Hausarzt zunächst mit Cefalexin und
Prednisolon; Celecoxib wurde weiterhin eingenommen. Der Zustand verschlechterte
sich in den folgenden Tagen und machte eine stationäre Aufnahme erforderlich. Es
zeigten sich nunmehr großflächige Hautablösungen, von denen mehr als 80 Prozent
der Hautoberfläche sowie Mundschleimhaut und Zunge betroffen waren. Zudem
entwickelten sich Ödeme im Bereich des Kopfes und des Nackens sowie ein
Bronchospasmus, sodass die Patienten intubiert und beatmet werden mussten. Unter
intensivmedizinischer Betreuung und Therapie, unter anderem intravenöser Gabe
von Hydrocortison, besserte sich das Krankheitsbild ab dem dritten Tag. Nach
drei Wochen war der größte Teil der Hautoberfläche wieder reepithelisiert (4).
Die Autoren verweisen auf eine Fallkontrollstudie an 245 Patienten mit TEN und
SJS, die hinsichtlich der als Auslöser verdächtigten Arzneimittel analysiert
wurden. Typischerweise handelte es sich dabei insbesondere um antibakterielle
Sulfonamide (Cotrimoxazol), Antikonvulsiva (Phenytoin, Carbamazepin,
Phenobarbital, Lamotrigin), Amoxicillin, Ampicillin, Allopurinol und einige
"konventionelle" nichtsteroidale Antirheumatika. Dem australischen Adverse Drug
Reactions Advisory Committee gingen innerhalb von sechs Monaten nach
Markteinführung von Celecoxib 919 Meldungen über unerwünschte Wirkungen zu,
darunter 254 zu Exanthemen beziehungsweise Urtikaria. Über ein EEMM wurde in
zwei Fällen und über ein SJS in einem Fall berichtet. Das deutsche
Spontanerfassungssystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ; Datenstand:
24.04.2003) weist für Celecoxib (Markteinführung: Juni 2000) 345 Meldungen aus,
davon ein Drittel über Hautreaktionen. Darunter findet sich ein Verdachtsfall
einer TEN. Zu Rofecoxib (Markteinführung: Dezember 1999) liegen bislang 723
Meldungen zu unerwünschten Wirkungen vor, davon 17,6 Prozent über
Hautreaktionen. In fünf Fällen wurde Rofecoxib - neben anderen Arzneimitteln -
als Auslöser eines Lyell-Syndroms angegeben.
Eine TEN scheint nach den bisherigen Erkenntnissen eine sehr seltene
unerwünschte Wirkung von Coxiben zu sein. Die Hersteller verweisen in ihren
Fachinformationen (5, 6) auf Einzelfälle von schweren Hautreaktionen wie TEN
oder SJS. (Eine Sulfonamid-Allergie stellt eine Kontraindikation für Celecoxib
dar!) Beim Auftreten von Exanthemen sollte deshalb auch an die Entwicklung einer
TEN oder eines SJS gedacht werden, die ein sofortiges Absetzen der Medikation
und die Einleitung einer entsprechenden Therapie erfordern.
Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle)
mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf
der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen
unter der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen. Meldungen über schwere
Hautreaktionen (TEN, SJS, EEMM) werden, sofern das Einverständnis der meldenden
Kollegin oder des meldenden Kollegen vorliegt, von der AkdÄ auch an das
Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh) an der
Universitäts-Hautklinik in Freiburg weitergeleitet.
Literatur
1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Aus der UAW-Datenbank:
Anaphylaktoide Reaktionen unter "Coxiben" (Celecoxib und Rofecoxib). Dtsch
Arztebl 2002; 99: A 3132 [Heft 46].
2. Kumar NP, Wild G, Ramasamy KA, Snape J: Fatal haemorrhagic pulmonary oedema and associated angioedema after the ingestion of
rofecoxib. Postgrad Med J 2002; 78: 439-440.
3. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Arzneimittelinduzierte
schwere Hautreaktionen. Dtsch Arztebl 1998; 95: A 3172 [Heft 49].
4. Berger B, Dwyer D, Corallo CE: Toxic epidermal necrolysis after celecoxib
therapy. Pharmacotherapy 2002; 22 (9): 1193-1195.
5. Fachinformation Celebrex®, Stand: Januar 2003.
6. Fachinformation Vioxx®; Stand: November 2002.
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