Lebensbedrohliches Angioödem der Zunge unter immunsuppressiver Therapie mit Everolimus (UAW-News - International)

Die AkdÄ möchte Sie im Folgenden über Publikationen und Meldungen aus dem internationalen Raum informieren und hofft, Ihnen damit nützliche Hinweise auch für den Praxisalltag geben zu können.

Everolimus ist ein Immunsuppressivum aus der Klasse der mTOR-Inhibitoren (mammalian target of rapamycin) (1), das in Kombination mit anderen Wirkstoffen zur Prävention der Abstoßung bei Organtransplantationen eingesetzt wird. In Kombination mit Ciclosporin vermindert es im Vergleich zu Azathioprin/Ciclosporin die Rate der Abstoßungen bei Patienten nach Herztransplantation (2). Everolimus kann auch indiziert sein, wenn es im Rahmen der Therapie mit Calcineurininhibitoren (zum Beispiel Ciclosporin oder Tacrolimus) zu Nephrotoxizität kommt.

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: 30.03.2005) sind 52 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) nach Gabe von Everolimus erfasst. Die meisten Meldungen betreffen generalisierte Störungen. Vergleichsweise wenige Berichte beziehen sich auf allergische Reaktionen.

Autoren aus dem Herzzentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen berichten jetzt erstmals über sechs Fälle von potenziell lebensbedrohlichem Angioödem der Zunge (3). Seit Januar 2004 wurden dort 114 Empfänger eines Herztransplantates mit chronischer Niereninsuffizienz (Serum-Kreatinin > 1,6 mg/dl, Kreatinin-Clearance < 60 ml/min) infolge Therapie mit Calcineurininhibitoren auf Everolimus umgestellt. Bei einer Dosis von 1,5 mg/Tag sollten Serumkonzentrationen von 3-8 ng/ml erreicht werden. Parallel dazu wurden die Dosierungen von Ciclosporin oder Tacrolimus um 50 Prozent reduziert.

Bei sechs Patienten (entspricht 5,3 Prozent) wurde ein Angioödem der Zunge beobachtet. Die Symptome entwickelten sich innerhalb der ersten Wochen nach Therapiebeginn (Bereich: zwei bis 41 Tage) und hielten drei bis vier Tage an. Bei allen Patienten war dies von petechialen Blutungen und Blasenbildung am Zungenrand begleitet. Es bestanden Komedikationen mit ASS, Nystatin, Pravastatin, Magnesium und ACE-Hemmern beziehungsweise AT1-Antagonisten. Ein für einen Monat anhaltender Abfall der Erythrozytenzahl wurde ebenfalls beobachtet. Andere Auffälligkeiten im Labor waren nicht zu verzeichnen. Ein Mangel an C1-Esterase-Inhibitor konnte bei allen Patienten ausgeschlossen werden.

Die Symptomatik wurde mit Kortikosteroiden und Antihistaminika behandelt. Bei allen Patienten war eine Krankenhausaufnahme erforderlich. Die Medikation mit Everolimus wurde fortgeführt, weil alle Patienten eine deutliche Verbesserung ihrer Nierenfunktion darunter aufwiesen. Fünf der sechs Patienten sind frei von einem Rezidiv (Behandlungsdauer insgesamt zwischen 15 und 126 Tagen); bei einem kam es jedoch zu zwei Rezidiven, die mit Dyspnoe assoziiert waren und ebenfalls eine Krankenhausaufnahme erforderlich machten. Die Gabe von Everolimus musste beendet werden.

Der Kausalzusammenhang zwischen Everolimus und einem Angioödem der Zunge ist nicht gesichert, jedoch wahrscheinlich. Einige Patienten erhielten ACE-Hemmer, die dafür kausal ebenfalls infrage kommen. Auch ASS könnte kausal, zumindest als Trigger, infrage kommen. Der Abfall der Erythrozytenzahl ist unklar. Unter hohen Dosen von Everolimus (3 mg/Tag) sind Anämien beschrieben (2).

Die Autoren schließen, dass ein Angioödem der Zunge eine potenziell lebensbedrohliche unerwünschte Arzneimittelwirkung unter Everolimus bei Patienten nach Herztransplantation sein kann.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen unter der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.

Literatur
1. Kovarik JM, Kaplan B, Tedesco SH et al.: Exposure-response relationships for everolimus in de novo kidney transplantation: defining a therapeutic range. Transplantation 2002; 73: 920-925.


2. Eisen HJ, Tuzcu EM, Dorent R et al.: Everolimus for the prevention of allograft rejection and vasculopathy in cardiac-transplant recipients. N Engl J Med 2003; 349: 847-858.


3. Fuchs U, Zittermann A, Berthold HK et al.: Immunosuppressive therapy with everolimus can be associated with potentially life-threatening lingual angioedema. Transplantation 2005; 79: 981-983.