Kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind ein Klasseneffekt aller Coxibe: Konsequenzen für Ihre künftige Verordnung (Aus der UAW-Datenbank)

Zu den Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gehören die Erfassung, Dokumentation und Bewertung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Die AkdÄ möchte Sie regelmäßig über aktuelle Themen aus der Arbeit ihres UAW-Ausschusses informieren und hofft, Ihnen damit wertvolle Hinweise für den Praxisalltag geben zu können.

Anlässlich der Marktrücknahme von Rofecoxib (Vioxx®) wegen bekannt gewordener und aus pharmakologischer Sicht zu erwartender kardiovaskulärer Risiken stellt sich die Frage nach der Sicherheit der übrigen vier auf dem Markt vertretenen Coxibe: Celecoxib (Celebrex®); Valdecoxib (Bextra®), Parecoxib (Dynastat®) und Etoricoxib (Arcoxia®). Die europäische Zulassungsbehörde will sich mit dieser Frage in den kommenden Monaten beschäftigen. 

Die AkdÄ hatte bereits 2001 in ihrer Leitlinie zur Therapie degenerativer Gelenkerkrankungen (1) auf das erhöhte Risiko von Myokardinfarkten unter Coxiben hingewiesen. In der Folgezeit hat sie mehrfach an dieser Stelle Einzelrisiken der Substanzklasse beschrieben (2, 3, 4) und empfiehlt in ihrem Standardwerk

"Arzneiverordnungen" (20. Auflage, 2003) keinen einzigen Vertreter der Coxibe als Mittel erster Wahl. Inzwischen hat sich der Ausschuss

"Unerwünschte Arzneimittelwirkungen" der AkdÄ in seiner 80. Sitzung am 29.10.2004 nochmals mit der vergleichenden Bewertung des kardiovaskulären Risikoprofils der Coxibe auf der Basis der vorliegenden Daten des deutschen Spontanerfassungssystems und der AkdÄ bekannt gewordener Einzelfälle befasst. Das Gremium kam zu dem Ergebnis, dass im Einklang mit der in

"Arzneiverordnung in der Praxis" 1/2005 (5) ausführlich dargestellten Studienlage für alle diese Substanzen schwere kardiovaskuläre Ereignisse dokumentiert sind. Unter Rofecoxib (Vioxx®) machen Beobachtungen zu den so genannten Organklassen

"Herz-Kreislauf-System allgemein", "Myo-, Endo- und Perikard,

Herzklappen" und "Herzrhythmusstörungen" 30,7 Prozent (inkl. 13 Herzinfarkten) von insgesamt 1.020 Meldungen aus (Datenstand: 18.10.2004). Bei Celecoxib (Celebrex®) sind es 32,6 Prozent (inkl. 7 Myokardinfarkten) von 420 Berichten. (Celecoxib wurde später am deutschen Markt eingeführt und seltener verordnet als Rofecoxib.) Entsprechende Einzelfälle sind auch zu anderen Coxiben bereits gemeldet. Unter 2.400 Meldungen zu Diclofenac finden sich solche zu kardiovaskulären Störungen in 23,1 Prozent (inkl. 3 Myokardinfarkten), unter Oxicamen (z. B. Piroxicam

= Felden®) in 16,3 Prozent (inkl. 3 Myokardinfarkten) der Fälle. Hypertonie als UAW betrifft 3,6 Prozent aller Fälle zu Celecoxib, 4,7 Prozent zu Rofecoxib und 8,3 Prozent zu Valdecoxib, im Vergleich zu 1,5 Prozent bei Diclofenac und 0,8 Prozent bei Oxicamen. 

Da die kurzfristige Gabe einiger Coxibe bei Patienten ohne kardiovaskuläre Risiken entsprechend der Studienlage und verbreiteter klinischer Erfahrung Vorteile im Vergleich zu den traditionellen NSAR hat (6), empfiehlt die AkdÄ der Ärzteschaft folgende Einschränkungen der Verordnung, um die Anwendung dieser Substanzen risikoärmer zu machen und sie für die Behandlung derjenigen Patienten zu erhalten, die tatsächlich davon profitieren: 

- Coxibe sind bei allen kardiovaskulären Risikopatienten (koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, schwere Hypertonie, periphere arterielle Durchblutungsstörungen) aufgrund des pharmakologischen Risikopotenzials und der zahlreichen klinischen Risikodaten kontraindiziert.

- Coxibe sollen bei Patienten über 65 Jahren nur bei strenger Indikationsstellung und mit besonderer Vorsicht wegen der im Alter allgemein erhöhten kardiovaskulären Risiken angewendet werden.

- Die Anwendung von allen Coxiben ist zeitlich zu begrenzen: so lange wie nötig, aber nicht länger als die in Studien analysierten Behandlungszeiträume, d. h. intermittierend 3 bis maximal 6 Monate.

- Die Anwendung von Coxiben vor oder unmittelbar nach chirurgischen Eingriffen sollte unterbleiben. 

- Bei Patienten mit kardiovaskulären und gastrointestinalen Risiken können traditionelle nichtsteroidale Antiphlogistika plus niedrig dosierte Acetylsalicylsäure plus Protonenpumpenhemmer sowie nichtopioide Analgetika (z. B. Paracetamol) oder schwach wirkende Opioide (z. B. Tramadol, Tilidin-Naloxon, Dihydrocodein) angewendet werden, bis entsprechende epidemiologische Studien vorliegen.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.

Literatur

1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Empfehlungen zur Therapie von degenerativen Gelenkerkrankungen. Arzneiverordnung in der Praxis (Sonderheft), 2. Auflage, 2001.

2. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Zur Sicherheit von COX-2-Inhibitoren. Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1535 [Heft 22].

3. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Akute interstitielle Nephritis durch Celecoxib (in Deutschland: Celebrex®). Dtsch Arztebl 2003; 100: A 217 [Heft 4].

4. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Erhöhte Inzidenz von zerebrovaskulären Ereignissen unter COX-2-Inhibitoren im Vergleich zu Meloxicam. Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3407 [Heft 51-52].

5. Schwabe U, Brune K: Hinweise zur Risikominderung bei Anwendung von Cyclooxygenase-2-Hemmern (Coxiben). Arzneiverordnung in der Praxis 2005; 1: im Druck.

6. Koelz HR, Michel B: Nichtsteroidale Antirheumatika: Magenschutztherapie oder COX-2-Hemmer? Dtsch Arztebl 2004; 101: A 3041–3046 [Heft 45].