Kardiopulmonale Zwischenfälle bei der Verwendung von Knochenzement (UAW - Aus Fehlern lernen)

Der AkdÄ wurden im letzten Jahr vier Zwischenfälle im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verwendung von gentamicinhaltigem Knochenzement berichtet (AkdÄ-Fälle Nr. 144791, 144792, 144793, 145556). In allen Fällen handelte es sich um ältere Patienten mit kardiopulmonalen Vorerkrankungen, die wegen einer Schenkelhalsfraktur mit einem endoprothetischen Hüftgelenkersatz versorgt wurden. Intraoperativ kam es jeweils wenige Minuten nach Einbringen des Zements in das Femur zur reanimationspflichtigen Kreislaufdepression. Alle vier Patienten verstarben. Aus den UAW-Berichten geht hervor, dass die meldenden Ärzte als Ursache anaphylaktische Reaktionen auf Bestandteile des Knochenzements vermutet haben. Da aus der Sicht von Experten, die zur Bewertung der gemeldeten Fälle von der AkdÄ hinzugezogen wurden, auch embolische Geschehen als Ursache der Kreislaufdepression infrage kommen, soll auf entsprechende operative Vorsichtsmaßnahmen aufmerksam gemacht werden.

Knochenzement (z. B. Palacos®) wird in der Orthopädie und Unfallchirurgie unter anderem zur festen Verankerung von Endoprothesen verwendet. Chemisch handelt es sich bei Knochenzement um Polymethylmethacrylat (PMMA), das landläufig insbesondere als Plexiglas® bekannt ist. Zur Therapie von Infektionen beim Austausch infizierter Endoprothesen steht auch gentamicinhaltiger Knochenzement zur Verfügung. Kardiovaskuläre Zwischenfälle mit Kreislaufinsuffizienz, Hypoxämie und Herzstillstand sind bekannte Komplikationen bei der operativen Versorgung von Oberschenkelhalsfrakturen mit zementierten Hüftendoprothesen (1). Sie werden zurückgeführt auf embolische Geschehen mit Luft, Fett und Knochenmark. Beim Anrühren und Aushärten des Knochenzements entwickelt sich eine hohe Temperatur, und es entweicht Luft aus dem Zement. Beides führt zu einer Kompression von Fettmark und damit zu Mikroembolien in die Havers-Kanäle.

Anhand experimenteller und klinischer Studien konnten Standards erarbeitet werden, die zu einer Verringerung des Auftretens embolischer Komplikationen bei der Anlage zementierter Hüftendoprothesen geführt haben (2–4). Die oben aufgeführten Fallberichte haben den Verdacht aufkommen lassen, dass diese Standards nicht eingehalten wurden. Daher soll an die folgenden Maßnahmen erinnert werden, die bei der Verwendung von Knochenzement beachtet werden müssen und die auch in den Fachinformationen aufgeführt sind (5):

  1. Verwendung von im Vakuum gemischtem Knochenzement, wobei das Polymerisationsgas abgesaugt wird
  2. Sorgfältige Aufbereitung der Markraumhöhle durch mechanische Reinigung bis hin zur Anwendung der Jetlavage
  3. Einbringung eines Markraumsperrers, um eine unkontrollierte Ausbreitung des Zementes in der gesamten Markraumhöhle zu verhindern
  4. Einbringen eines großvolumigen Entlüftungsschlauchs (16 Charrière) vor Einfüllen des Zements. Alternativ zur deutlichen Druckminderung Anlegen eines großvolumigen Bohrlochs (Femur)
  5. Retrogrades Auffüllen des Zements unter Vermeidung der Kompression des noch zähflüssigen Knochenzements
  6. Zementmenge reduzieren, so viel wie nötig, nicht wie möglich
  7. Einführen des Prothesenschafts unter sanftem Druck
  8. Aushärtung des Knochenzements unter sorgfältiger Kühlung mit Spülflüssigkeit abwarten
  9. Intraoperative Volumenauffüllung mit 500 ml Ringer-Lactat-Lösung im ersten Drittel der Operationsphase durch die Anästhesie. Information für den Anästhesisten, dass die unmittelbare Anwendung von Knochenzement bevorsteht

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den Berichtsbogen verwenden, der regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt abgedruckt wird oder aus der AkdÄ-Internetpräsenz abrufbar ist. Es besteht auch die Möglichkeit, über www.akdae.de einen UAW-Verdachtsfall online zu melden.

Literatur

  1. Parvizi J, Holiday AD, Ereth MH, Lewallen DG: The Frank Stinchfield Award. Sudden death during primary hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 1999; 39–48.
  2. Heisel C, Mau H, Borchers T et al.: [Fat embolism during total hip arthroplasty. Cementless versus cemented – a quantitative in vivo comparison in an animal model]. Orthopade 2003; 32: 247–52.
  3. Leidinger W, Hoffmann G, Meierhofer JN, Wolfel R: [Reduction of severe cardiac complications during implantation of cemented total hip endoprostheses in femoral neck fractures]. Unfallchirurg 2002; 105: 675–9.
  4. Pitto RP, Koessler M, Kuehle JW: Comparison of fixation of the femoral component without cement and fixation with use of a bone-vacuum cementing technique for the prevention of fat embolism during total hip arthroplasty. A prospective, randomized clinical trial. J Bone Joint Surg Am 1999; 81: 831–43.
  5. Merck KGaA: Palacos® R. Stand: Juni 1996.