Mögliche Medikationsfehler: Paxlovid™

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2022

Krankenhaus aktuell

Der Fall

Der AkdÄ wurden zwei Fälle von inkorrekter Einnahme von Paxlovid™ gemeldet. Im ersten Fall beschwerte sich ein Patient, der stationär mit Paxlovid™ behandelt wurde, bei der Klinikapotheke, dass er am ersten Abend der Einnahme nur 2 rosa Tabletten bekam, sowie, dass seine komplette letzte morgendliche Gabe fehlte. Als Grund für die falsche Dosierung wurde nach ausführlicher Aufarbeitung des Falls festgestellt, dass die in der Kurve eingetragene Dosierung >>Paxlovid 300/100 mg 1–0–1<< zu Missverständnissen geführt hat, da es nicht ersichtlich war, dass zu jedem Einnahmezeitpunkt 3 Tabletten gestellt werden müssen.

In einem zweiten Fall fiel im Rahmen einer Routinekontrolle auf, dass eine Packung Paxlovid™, die zu diesem Zeitpunkt hätte aufgebraucht sein müssen, zum Teil vollständige Blister als auch einzelne Tabletten enthielt. Die Gründe für die unvollständige Einnahme konnten nicht abschließend eruiert werden, es wurde eine mangelnde Kommunikation und nicht Beachtung der schriftlichen Information zu Paxlovid™ angenommen.

Das Arzneimittel

Paxlovid™ (150 mg Nirmatrelvir (PF-07321332) + 100 mg Ritonavir Filmtabletten) ist zugelassen zur Behandlung einer Coronavirus-Erkrankung (COVID‑19) bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln (1).

Die empfohlene Dosierung beträgt 300 mg Nirmatrelvir und 100 mg Ritonavir zur gleichzeitigen Einnahme alle 12 Stunden über einen Zeitraum von 5 Tagen.

Eine Paxlovid™-Packung beinhaltet 5 Blister, die farblich unterteilt sind in morgendlicher Einnahme (golden, mit einem Sonnensymbol, ggf. Aufschrift „Morning Dose“) und abendlicher Einnahme (blau, mit Halbmondsymbol, ggf. Aufschrift „Evening Dose“). Jede Unterteilung beinhaltet 3 Tabletten (Abbildung 1):

  • 2 rosafarbene, ovale Tabletten, ca. 17,6 mm lang und ca. 8,6 mm breit, mit der Prägung „PFE“ auf einer und „3CL“ auf der anderen Seite (Nirmatrelvir);
  • 1 weiße bis cremefarbene, kapselförmige Tablette, ca. 17,1 mm lang und ca. 9,1 mm breit, mit der Prägung „H“ auf einer und „R9“ auf der anderen Seite (Ritonavir) (1).

Der Patient muss daher für eine korrekte Einnahme morgens 2 rosafarbene und 1 weiße Tabletten und abends 2 rosafarbene und 1 weiße Tabletten einnehmen. Bei Patienten mit mäßiger Nierenfunktionsstörung (eGFR ≥30 bis < 60 ml/min) werden 150 mg Nirmatrelvir und 100 mg Ritonavir alle 12 Stunden über 5 Tage empfohlen (1). Dies entspricht der Einnahme von 1 rosafarbenen und 1 weißen Tablette morgens und 1 rosafarbenen und 1 weißen Tablette abends.

Das Problem

Folgende Punkte könnten einen Fehlgebrauch von Paxlovid™ begünstigen und zu Medikationsfehlern führen:

  • Das Arzneimittel wird in Deutschland laut BfArM übergangsweise mit einer englischen Verpackung und ohne Gebrauchsinformation vertrieben (2).
  • Hausärzte, die Paxlovid™ direkt an die Patienten abgeben, sollen dem Patienten auch die aktuelle Gebrauchsinformation in deutscher Sprache aushändigen. Dies gilt auch für Apotheken bei der Abgabe von Paxlovid™. Es handelt sich um ein siebenseitiges Dokument, das seit der erstmaligen Zulassung bereits mehrmals aktualisiert wurde (3).
  • Nach Auskunft des BfArM sind mittlerweile erste Lieferungen von Paxlovid™ mit deutschsprachiger Aufmachung und deutschsprachiger Produktinformation in Deutschland verfügbar (Abbildung 2). Diese Verpackungen werden sich nach und nach im Markt zeigen.
  • In der Produktinformation – Fachinformation und Gebrauchsinformation – wird Nirmatrelvir kein einziges Mal erwähnt. Der Wirkstoff wird ausschließlich als PF-07321332 adressiert. In der Fachinformation findet sich die komplette chemische Bezeichnung wieder: (1R,2S,5S)-N-((1S)-1-Cyano-2-((3S)-2-oxopyrrolidin-3-yl)ethyl)-3-((2S)-3,3-dimethyl-2-(2,2,2-trifluoracetamido)butanoyl)-6,6-dimethyl-3-azabicyclo[3.1.0]hexan-2-carboxamid. Auch auf dem Blister sowie auf dem Umkarton werden die enthaltenen Wirkstoffe als PF-07321332 und Ritonavir angegeben. Dass PF-07321332 Nirmatrelvir entspricht, ist sicherlich selbst für Ärzte und Apotheker nicht sofort erkennbar, für Patienten möglicherweise sogar gar nicht.
  • Die „ungewöhnliche“ Verblisterung könnte Patienten und auch Pflegepersonal irritieren. In der Regel werden Wirkstoffe, die obligat zusammen eingenommen werden müssen, als Fixkombinationen vermarktet, unter anderem um die Patientenadhärenz zu steigern. Dabei sind zwei oder drei Wirkstoffe in einer einzelnen Tablette bzw. Kapsel verarbeitet.
  • Die Beschriftung mit „Morning Dose“ und „Evening Dose“ (USA-Blister) bzw. die Piktogramme „Sonne“ und „Halbmond“ könnte Fehldosierungen (Unter- bzw. Überdosierung) begünstigen, wenn eine Einnahme vergessen wurde und nachgeholt werden soll wie in der Produktinformation empfohlen (z. B. keine Einnahme der vergessenen abendlichen Dosis am Morgen danach). Hier gilt eine 8-Stunden-Frist, um eine vergessene Dosis nachzuholen.
  • Paxlovid™ wird vor allem bei Risikopatienten zum Einsatz kommen. Die überwiegende Mehrheit dieser Patienten sind multimorbide, ältere Patienten mit Multimedikation, die möglicherweise das komplexe Einnahmeschema nicht befolgen können.
  • Auch Patienten und Pflegepersonal, die kein Englisch sprechen bzw. verstehen, könnten Schwierigkeiten mit der richtigen Einnahme des Arzneimittels haben.
  • Das ungewöhnliche Dosierungsregime mit den damit verbundenen nicht einfach umzusetzenden Dosierungsangaben auf Rezepten oder Patientenkurven birgt per se ein beträchtliches Risiko für Fehldosierungen, und zwar in beiden Richtungen – für Unter- wie auch für Überdosierungen.
  • Besondere Aufmerksamkeit ist auf Patienten mit mäßiger Nierenfunktionsstörung zu legen, weil sich hier das Dosierungsregime ändert. Auch dieser Umstand kann zu Medikationsfehlern führen.

Eine Recherche in der EudraVigilance-Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen (4) zeigt, dass bereits verschiedenste Probleme bzw. mögliche Medikationsfehler unter der Behandlung mit Paxlovid™ gemeldet wurden (Tabelle 1).

Grundsätzlich lassen diese Zahlen keine Aussage über die tatsächliche Inzidenz des jeweiligen möglichen Medikationsfehlers bzw. über die Anzahl der davon betroffenen Patienten zu. Es muss sich bei den einzelnen Meldungen nicht um einzelne Patientenfälle handeln, da zu einem Patienten mehrere Reaktionen gemeldet worden sein können. Auch ist es ohne eine vertiefende Analyse unklar, welche Umstände genau den jeweiligen Medikationsfehler bedingt bzw. begünstigt haben und welche Rolle die Verpackung selbst und/oder die Gebrauchsinformation von Paxlovid™ gespielt hat.

Mögliche Maßnahmen

Hausärzte, die Paxlovid™ direkt an die Patienten abgeben, müssen darauf achten, dem Patienten auch die aktuelle Gebrauchsinformation in deutscher Sprache auszuhändigen. Dies gilt auch für Apotheken bei der Abgabe von Paxlovid™. Bei der Aushändigung muss der Patient darauf hingewiesen werden, dass es sich um die Gebrauchsinformation (Packungsbeilage, „Beipackzettel“) handelt und nicht um ein sonstiges Informationsblatt. Auch wäre die Dosierung hier schon zu erläutern und sich diese nochmals von Patienten wiederholen zu lassen.

Im stationären Bereich, wo Arzneimittel individuell für den jeweiligen Patienten zusammengestellt werden, müssen die Pflegekräfte für die Problematik durch geeignete Informationsmaßnahmen sensibilisiert werden. Dazu gehören schriftliche Kurzinformationen, Schulungen des Personals und ggf. Rücksprache mit der versorgenden Apotheke.

Ärzte müssen auf die richtige Dosierungsangabe achten. Im stationären Bereich sollten krankenhausspezifische Strategien überlegt werden für die Eintragung in die Patientenkurve. Folgende Möglichkeiten könnten dabei bedacht werden:

  • Paxlovid™ über 5 Tage
    3–0–3 (je 2 rosa + 1 weiße Tabletten)

    oder:
  • Paxlovid™ über 5 Tage
    150 mg Nirmatrelvir (rosa Tabletten): 2–0–2
    und
    100 mg Ritonavir (weiße Tabletten): 1–0–1

Für Patienten mit mäßiger Nierenfunktionsstörung (eGFR ≥ 30 bis < 60 ml/min) beträgt die empfohlene Paxlovid-Dosis alle 12 Stunden über 5 Tage, um eine Überexposition zu vermeiden:

  • Paxlovid™ über 5 Tage
    2–0–2 (je 1 rosa + 1 weiße Tabletten)

    oder:
  • Paxlovid™ über 5 Tage
    150 mg Nirmatrelvir (rosa Tabletten): 1–0–1
    und
    100 mg Ritonavir (weiße Tabletten): 1–0–1

Auch im bundeseinheitlichen Medikationsplan muss die richtige Dosierungsangabe eingetragen werden, ggf. unter Angabe von Freitext.

Ärzte und Apotheker sollten bei der Abgabe von Paxlovid™ an Patienten explizit auf die Modalitäten der Einnahme im Rahmen der Beratung eingehen.

Grundsätzlich sollten längerfristig auch regulatorische Anpassungen der Produktinformation (Nennung von Nirmatrelvir), Änderung des Packungsdesigns und der Packungsbeilage (in deutscher Sprache, bebilderte Gebrauchsinformation in der Packung inkludiert) und die Erstellung von Schulungsmaterial (z. B. bebilderte Einnahmeanweisung für Patienten bzw. Pflegekräfte) vorgenommen werden.

Paxlovid™ in den USA: Produktinformation bereits geändert

Im August 2022 wurde von der Food and Drug Administration eine Änderung der Produktinformation von Paxlovid™ sowie der Versand eines „Dear Health Care Provider Letter“ (entspricht dem deutschen Rote-Hand-Brief) beauflagt, nachdem zahlreiche Medikationsfehler gemeldet worden waren, die insbesondere auf Verwirrungen der Patienten bezüglich der Einnahmemodalitäten sowie der Beschriftung der Packung zurückzuführen waren (https://www.fda.gov/media/161018/download). Seit September 2022 enthält die US-amerikanische Gebrauchsinformation u. a. bebilderte Einnahmeinstruktionen (https://labeling.pfizer.com/ShowLabeling.aspx?id=16664).

Fazit für die Praxis

Paxlovid™ ist ein Zweikomponenten-Arzneimittel, das in nächster Zeit vermehrt eingesetzt werden wird. Das Medikament hat ein ungewöhnliches Einnahmeschema mit je 3 einzelnen Tabletten unterschiedlicher Farbe morgens und abends. Die jeweils morgendliche und abendliche Gabe für einen Tag sind zusammen verblistert. Paxlovid™ ist derzeit in Deutschland vorwiegend in englischsprachiger Aufmachung und ohne Gebrauchsinformation erhältlich. Die Gebrauchsinformation wird Patienten bei der Abgabe von Paxlovid™ vom Arzt bzw. Apotheker ausgehändigt. Dies könnte Medikationsfehler begünstigen und den Therapieerfolg gefährden. Daher ist die Information von Patienten und Pflegepersonal über die genaue Einnahme von Paxlovid™ sicherzustellen.

Medikationsfehler unter der Behandlung mit Paxlovid™ sollten der AkdÄ gemeldet werden.

Die AVP-Redaktion dankt dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die hilfreichen Anmerkungen und Änderungsvorschläge zu diesem Artikel.

Literatur

  1. Pfizer Europe MA EEIG: Fachinformation „Paxlovid™ 150 mg + 100 mg Filmtabletten“. Stand: Oktober 2022.
  2. Bundesinsitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Informationen zu Lagevrio® und Paxlovid®: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/covid-19-arzneimittel.html. Letzter Zugriff: 13. Dezember 2022.
  3. European Medicines Agency (EMA): European Public Assessment Report (EPAR): Paxlovid: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/paxlovid. Letzter Zugriff: 13. Dezember 2022.
  4. Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen: https://www.adrreports.eu/de/index.html. Letzter Zugriff: 13. Dezember 2022.